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Reaktion auf den gestrigen Beschluss von ÖVP und FPÖ, sexualpädagogische Workshops von externen ExpertInnen in Schulen zu verbieten

Stellungnahme des Netzwerks Sexuelle Bildung Steiermark, Graz, 4. Juli 2019

Ich würde den Workshop weiterempfehlen, weil … nichts weitererzählt und man respektiert wird. … man Sachen lernt, die man sonst nicht so bespricht. … weil man hier Fragen stellen kann, vor denen man Angst hat … man sich wohlfühlt.
Feedbacks von Schülerinnen, 2018

Für sexuelle Bildung gelten auch in Österreich die internationalen Standards der WHO, UNFPA, UNESCO und die Europäischen Standards für Sexualpädagogik der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Diese umfassen u. a. die Forderung nach evidenzbasierter und akkurater Informationsvermittlung, nach sicheren und vertraulichen Lernumgebungen sowie fachlich ausgebildeten und für die sexuelle Bildung motivierten Pädagog*innen.

All diese Ressourcen bringen unabhängige, externe Expert*innen aus Gesundheits- und Beratungseinrichtungen sowie sexualpädagogischen Vereinen mittels Workshops in das System Schule ein, um damit alle Kinder und Jugendlichen unabhängig ihres sozialen Hintergrunds oder ihrer finanziellen Möglichkeiten gleichermaßen zu erreichen.

Mit dem gestrigen Beschluss von ÖVP und FPÖ sollen diese Expert*innen zukünftig nicht mehr Lehrer*innen in der wichtigen Aufgabe der sexuellen Bildung im Schulunterricht unterstützen dürfen.

Das Netzwerk Sexuelle Bildung Steiermark, bestehend aus den 12 Unterzeichner*innen, kritisiert diese Vorgehensweise aufs Schärfste. Der Beschluss gefährdet eine seit mehr als 10 Jahren bestehende Unterstützungsstruktur, die von Schulen, Eltern und Jugendlichen gerne genutzt wird und überwiegend positive Rückmeldungen erhält. Die Steiermark darf stolz sein auf ein Good Practice-Modell der sexuellen Bildung, welches für Qualitätssicherung und ausgebildete Fachkräfte steht. Alle Mitglieder haben sich den oben genannten internationalen Standards verpflichtet und arbeiten im Rahmen des Grundsatzerlasses Sexualpädagogik von 2015 – von einer Polarisierung zwischen Vereinen kann in der Steiermark nicht die Rede sein.

Die Nachfrage nach sexualpädagogischen Workshops ist groß: Dies zeigt, dass es momentan nicht möglich ist, die internationalen Standards zu sexueller Bildung allein im Regelunterricht zur erfüllen. Lehrer*innen sind kaum oder gar nicht dafür ausgebildet, stehen z. B. über die Leistungsbeurteilung in einem Hierarchieverhältnis zu ihren Schüler*nnen und haben weder Zeit noch Ressourcen in diesem Spezialgebiet stets auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft zu sein.

Ein Verbot externer Expert*innen wird daher bewirken, dass sexuelle Bildung weit weniger Kinder und Jugendliche als bisher sowie in geringerer Qualität erreicht. Dies trifft insbesondere benachteiligte Gruppen sowie Schüler*innen im ländlichen Raum, welche ohnehin schon weniger Zugang zu Gesundheitsservices haben.

Das Netzwerk Sexuelle Bildung ersucht Bildungsministerin Iris Rauskala vor einer entsprechenden Gesetzesänderung um eingehende Prüfung der wissenschaftlichen Sachlage sowie um Gespräche mit Expert*innen und Betroffenen: Schüler*innen, Lehrer*innen und Eltern. Wir sind gerne bereit unsere Expertise in diesen Prozess einzubringen.

Netzwerk Sexuelle Bildung Steiermark
Abenteuer Liebe, achtung°liebe, Aidshilfe Steiermark, Courage Graz, Fachstelle.hautnah, Frauengesundheitszentrum, Hazissa, Lil*-liebenslust*, Mädchensprechzimmer, Mafalda, RosaLila PantherInnen, Verein für Männer- und Geschlechterthemen

Kontakt
Mag.a Jutta Eppich, MPH und Hanna Rohn, M.A., MA,
Koordinatorinnen des Netzwerks Sexuelle Bildung Steiermark
0316/83 79 98, frauen.gesundheit@fgz.co.at